Rückblick

88. Schweizer Immobiliengespräch

 

«Wie gelingt es Entwicklern, solcher Quartiere, Orte zu schaffen, an denen sich die Menschen wohlfühlen», wollte Schmidiger von seinem ersten Gast wissen. Markus Siemienik, Leiter Anlageobjekte Ost vom SBB Immobilien Development, hatte darauf eine klare Antwort: «Mit Baukultur, einer guten Durchmischung, Aufmerksamkeit und Austausch.» Gerade die SBB, deren Bahnhöfe sich in den Siedlungszentren befinden, habe ein grosses Interesse daran, die gute Infrastruktur und die eigenen Objekte so zu verknüpfen, dass lebenswerte Orte entstehen.

Dazu hat die SBB ein standardisiertes Verfahren für alle Objekte, die über 5 Millionen Franken kosten, entwickelt. Drei wichtige Aspekte dieses sechsstufigen Verfahrens strich Siemienik besonders hervor: «Wir wollen möglichst frühzeitig die Quartierbevölkerung einbeziehen. Ausserdem soll die Zusammenarbeit partnerschaftlich sein und mit Testplanungen schaffen wir qualifizierte Verfahren.»

Ein besonderes Augenmerk bei der Entwicklung neuer Objekte lege die SBB auf die bestehende Bausubstanz. Diese gelte es zu erhalten, sagt Siemienik. Als Beispiel führt er das Areal «Werkstadt Zürich» der SBB an. Auf dem 42’000 Quadratmeter grossen Areal soll in den nächsten Jahren ein lebendiges Gebiet für Arbeit und Freizeit entstehen, das mit den angrenzenden Quartieren zu einem neuen Stadtraum zusammenwächst. Dafür möchte die SBB die Synergie zwischen der identitätsstiftenden, historischen Bausubstanz, der öffentlichen Nutzung der Aussenräume sowie der möglichen baulichen Verdichtung nutzen, damit ein attraktiver Ort für Kultur, gewerbliche und industrielle Innovationsbetriebe sowie Start-up-Firmen entsteht.

Quartiere mit Third Places


Ganz ähnliche Ziele verfolgt auch die Swiss Prime Site, wie Drazenka Dragila Salis, Head Development and Construction der Swiss Prime Site Immobilien AG (SPS), am Beispiel des Projekts «Maaglive» erläuterte, welches auf dem aktuell bisher vor allem durch Büronutzungen geprägten Maag-Areal am Bahnhof Hardbrücke in Zürich West Gestalt annehmen soll. «Uns ist eine Diversifizierung der Nutzung wichtig.» Wohnen und arbeiten soll auf dem Areal ebenso möglich sein wie Kultur und Gastronomie. Denn: «Der Trend geht hin zum Leben zwischen zu Hause und Arbeit, also sogenannten Third Places», führte Drazenka Dragila Salis weiter aus. Um das Areal zu beleben, setze SPS auf publikumsintensive Erdgeschossnutzungen. Gleichzeitig sollen sich die Nutzungen besser auf den Tages-, Wochen- und Jahresverlauf verteilen. Ein vielfältiges Angebot an Aussen- und Freiräumen biete dafür eine optimale Voraussetzung; u.a. soll ein mit circa 80 hochstämmigen Bäumen bestandener Platz, ein «urbaner Wald», künftig zusammen mit weiteren Grünflächen zur Hitzeminderung beitragen und für ein angenehmes Mikroklima sorgen. Zudem sei die Öffnung des Quartiers geplant, u.a. durch neue Fuss- und Velowege. Ideal ist aus Sicht von Drazenka Dragila Salis die räumliche Nähe von Third Places zu Orten, an denen Menschen arbeiten oder wohnen und die schnell zu Fuss erreichbar seien.

Über das eigene Baufeld hinausschauen


Lebendige und lebenswerte Quartiere zu schaffen, hat sich auch die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich (ABZ) auf die Fahne geschrieben. «Was macht ihr anders?», wollte Moderator Schmidiger von Nathanea Elte, Präsidentin der ABZ, wissen. «Wir backen kleinere Brötchen», lautete ihre prompte Antwort. Doch die Prinzipien der Baugenossenschaft, um ein lebendiges Quartier zu gestalten, sind ähnlich wie jene der SBB und der SPS. So setzt sie gleichermassen auf die aktive Mitgestaltung der Aussenräume und Gemeinschaftsflächen, bietet dafür allerdings auch Unterstützung. Als Paradebeispiel stellte Elte den Ersatzneubau Entlisberg 2 vor. Mit Gemeinschaftsräumen, einem Hort für Kinder und oberirdischen Waschsalons, die als Begegnungsorte fungieren sollen, wird dem Quartier Leben eingehaucht.
Zum Quartier soll auch das Koch-Areal werden. Eines der Baufelder des Areals hat die ABZ im Baurecht erhalten. Zusammen mit den anderen Bauträgern möchte die ABZ dabei über das eigene Baufeld hinausschauen. «Aus der bedarfsbasierten Projektentwicklung soll so ein für den Ort angepasstes, massgeschneidertes und zukunftsfähiges Konzept entstehen, das breit verankert und in das weitere Quartier eingebettet ist», sagt Elte. Dazu müsse man schauen, was schon vorhanden ist und was ergänzt werden kann. In Fortsetzung der jüngeren Nutzungsgeschichte des Areals soll schliesslich ein für alle offener Lebens- und Kulturort mit Konzerten, Ausstellungen und Off-Spaces werden.

«Kann man überhaupt lebendige Standorte bauen oder müssen diese nicht eher wie ‹Frau Gerolds Garten› mit der Zeit wachsen?», wollte Moderator Markus Schmidiger in der anschliessenden Diskussionsrunde von seinen Gästen wissen. Wichtig sei es, Gemeinschafts- und Möglichkeitsräume bereitzustellen, äusserte sich Nathanea Elte. Die Menschen sollen merken, dass sie etwas ausprobieren können. Rückzugsmöglichkeiten seien aber ebenso wichtig.

«Leben ist improvisiert», sagt Markus Siemienik von der SBB, «das ist für Investoren, die es lieber organisiert mögen, schwierig.» Eine Partizipation der künftigen Bewohner, wie zum Beispiel ein Gemeinschaftsraum bespielt werden soll, sei für einen späteren Erfolg unerlässlich. Die Mieter frühzeitig einbinden, das erachtet auch Drazenka Dragila Salis als wichtiges Mittel zu einem belebten Quartier.

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Tags | Immobilienprojekte, Nachhaltigkeit, Quartierentwicklung, Quartiergestaltung, Stadtentwicklung, Stadtplanung, Swiss Prime Site, Urbanisierung

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