Klarheit für ein Buzz-Word
Der Ausdruck «Impact Investments» ist nicht ganz neu, aber in aller Munde, und wie alle Buzz-Words in Gefahr, den Beiklang einer Marketing-Phrase zu bekommen. Das wäre bedauerlich, besonders in der Immobilienbranche. In kaum einem Wirtschaftszweig ist die kausale Wirkung von unternehmerischem Handeln für Umwelt und Gesellschaft so eindeutig wie im Gebäude-Sektor. Auf diesen Punkt wies Moderater Christian Kraft hin. Der Wissenschaftler von der Hochschule Luzern sorgte zu Beginn auch gleich für begriffliche Klarheit, indem er der Veranstaltung eine einschlägige Definition aus der Fachliteratur voranstellte. Ein «Impact Investment» sei mehr als eine nachhaltige Investition, so Kraft, und sie müsse drei Kriterien erfüllen: Die Absicht einer positiven ökosozialen Wirkung, eine positive Investitionsrendite und eine messbare Wirkung des Effekts auf die Realwirtschaft.
«Wo stehe ich?»
Der letzte der drei genannten Punkte wird oft unterschlagen, dabei kann er spielentscheidend sein. Ohne Information und Daten wird es schwierig, wie Stefan Fahrländer im ersten Vortrag des Abends deutlich machte. Der Gründer des Immobiliendaten- und Analyseunternehmens Fahrländer Partner vertrat die These: Es geht nicht nur darum, mit Daten den Erfolg des Impacts zu ermitteln, sondern auch, ihn überhaupt erst zu ermöglichen. «Um den Impact monitoren zu können», sagte Fahrländer, «muss ich zuerst wissen, wo ich stehe». Hier kommt der Verein REMMS ins Spiel, um den es in seinem Vortrag ging. REMMS ist ein gemeinnütziges Gemeinschaftsprojekt, von Fahrländer initiiert und mittlerweile von über 70 Firmen unterstützt. Es soll den Investoren helfen, den eigenen Standort in puncto Nachhaltigkeit zu ermitteln. Vielen fehlen für die Beurteilung der eigenen Immobilien die nötigen Daten, und es fehlt grundsätzlich der Vergleich mit dem Markt. Von den zwei Millionen Schweizer Hochbauten, rechnet Fahrländer vor, sind gerade einmal 60.000 nach Minergie zertifiziert. Weitere 100.000 Gebäude haben einen Energieausweis nach GEAK, weitere 50.000 laufen jeweils über die Ratingsysteme GRESB oder SSREI. Die meisten Gebäude entziehen sich also der Beurteilung. Hier will REMMS abhelfen, ohne in Konkurrenz zu bestehenden Ratingformaten zu treten. Der Gedanke: Die Nutzer bringen die Informationen mit, die sie haben, und das System soll helfen, fehlende zu ergänzen oder zu modellieren. Maschinengestützt und damit kostengünstig erfolgen Beurteilung, Benchmarking und Monitoring, der Output umfasst neben einem Rating von Makrolage, Mikrolage und des Objekts auch Handlungsfelder, mögliche Massnahmen. REMMS versteht sich also als ein Werkzeug, das Entscheidungen mit Informationen unterfüttern soll. Welche Massnahmen dann zu treffen sind, muss der Akteur freilich selbst entscheiden. Der Analyst Fahrländer warnt allerdings vor einem zu einseitigen Fokus: Konzentriert man sich allein auf das Thema Emissionen im Betrieb, könne dies zu Fehlallokationen führen. Bedacht werden müsse nicht zuletzt auch die graue Energie, die in den Neubau fliesst.
«Mehr gut statt weniger schlecht!»
Die Emissionen, die bei der Erstellung von Gebäuden anfallen, kamen auch beim nächsten Redner zur Sprache. Marc Lyon verantwortet als Head Real Estate Development Switzerland bei Implenia eine der grössten Entwicklungspipelines in der Schweiz. Er bezifferte den CO²-Hebel, der sich bei der grauen Energie bietet, auf das Dreifache dessen, was beim Betrieb anfällt. Lyons Abteilung hat anhand der eigenen Projekte ermittelt, wo sich die grössten Einflussmöglichkeiten auf die Emissionen bieten – sowohl beim Betrieb wie auch bei der Erstellung. Ganz oben steht in beiden Fällen die Standortwahl. Aber auch Planungsentscheidungen, die das Tragwerk und die Kompaktheit des Baus betreffen, spielen eine wichtige Rolle. Am Beispiel des Winterthurer Holzhochhausprojekts «Rocket» führte Lyon vor, wie CO²-Gesichtspunkte schon in einer frühen Planungsphase Entscheidungsprozesse bestimmen können. Vier verschiedene Tragwerkskonstruktionen mit drei verschiedenen Baustoffen standen zur Auswahl, und die Implikationen für die Emissionen wurden so genau es geht berechnet. Die ausgewählte Holzverbund-Variante versprach eine Emissionseinsparung um 50% gegenüber einer konventionellen Stahlbetonkonstruktion – auch dank Vorfabrikation von Elementen. Das Thema Erstellungsemissionen spielt freilich nicht nur im Neubau, sondern auch bei Sanierungsprojekten eine Rolle. Marc Lyon illustrierte das anhand des Projekts «Rue du Valais» in Genf, wo ein Bürohaus, ein «stranded Asset», in eine Wohnimmobilie transformiert wird. Schon bei der Akquisition wurde berechnet, dass eine Kernsanierung mit einer neuen thermischen Hülle und zusätzlichen Stockwerken immerhin 30% der Emissionen im Vergleich zu Abriss und Neubau vermeiden würde. Hinzu kommen beachtliche Einsparungen beim Betrieb von 82% durch Gebäudetechnik.
Das sind stattliche Werte, die sich wohl nicht immer erzielen lassen. Aber Lyon hängt die Latte hoch: «Impact Investment» fange erst da an, wo der «Mainstream» aufhört, sagte er. Er formuliert es so: Ein traditionelles Investment werde durch ESG-Screening oder -Implementierung allenfalls «weniger schlecht». Das Ziel müsse aber lauten: «mehr gut». Den Unterschied kann Lyon quantifizieren: Solange es einer Dekarbonisierungsstrategie nur um „Net Zero“ gehe, werde allenfalls das Schlechte minimiert. Von einem positiven Impact sei erst dann zu Recht die Rede, wenn die Immobilie mehr Energie produziert als verbraucht. Und da will Implenia mit seinen Entwicklungen mittelfristig hin. Das Dekarbonisierungsziel entlang der ganzen Wertschöpfungskette, also unter Einbeziehung der Emissionen von Lieferanten und Kunden («Scope 3») lautet bei eigenen Neubau-Wohnprojekten 2040. Dann soll Netto-Null, der «Break-Even» gewissermassen, erreicht sein. Bei den Betriebsemissionen von Neubauten soll dieses Ziel schon 2030 erreicht sein.
Transparenz, Vertrauen, Partizipation
Nicht immer ist der angestrebte «Impact» so klar bezifferbar wie beim Entwickler Implenia, und nicht immer besteht er in einem Absenkungspfad von Emissionen. Das zeigte der letzte Redner des Abends. Daniel Kusio stellte einen Aspekt in den Mittelpunkt, welcher in der Immobiliendebatte oft nur am Rande mitbehandelt wird, nämlich den sozialen. Er ist Geschäftsführer der Impact Immobilien AG, die vor zehn Jahren gegründet wurde, zu einer Zeit also, als das Thema ESG noch nicht die Agenda bestimmte. Die Firma investiert – ganz unglamourös – in Immobilien, die benachteiligten Menschen Raum für Wohnen und für Arbeit bieten. Sozialer Nutzen entsteht hier durch Erschwinglichkeit, die Maxime lautet «Design to cost». Bei der Planung stehen von Anfang an die finanziellen Möglichkeiten der Institution im Zentrum, an die vermietet wird. Das geht oft nur, wenn die Gemeinden mitspielen. Kusio berichtet, dass es immer wieder günstige Baurecht-Vereinbarungen sind, die seine Projekte möglich machen – etwa bei einem Pflegehotel in Sutz-Lattringen, oder bei einer Einrichtung für betreutes Wohnen in Aarau. Voraussetzung dafür aber sei das Vertrauen der Gemeinden, der Faktor Transparenz ist wesentlich. «Impact legt die Rendite gegenüber den Institutionen offen», erläutert Kusio. «Transparente Modelle führen zu Vertrauen und zu Fairness». Partizipation ist ein weiteres Element, die zukünftigen Nutzer sollten nicht das Gefühl haben, dass der Investor allein entscheidet. «Was ist die Anspruchsgruppe, wer wohnt dort, was bewirkt die Immobilie?». Das sei die Erwägung, von der man sich leiten lasse – und letztlich sei dies auch die Messgrösse für den «Impact». «Wir wollen weg von: hier die bösen Investoren und die böse Immobilienindustrie, dort die guten Genossenschaften», sagte Kusio. Und es ist nicht so, dass sich auf diesem Wege keine Rendite erzielen lasse. Der Wert der Aktie hat sich seit Gründung um immerhin 60% erhöht. Kusio ist überzeugt: Projekte wie die seines Unternehmens würden auch in die Portfolien vieler anderer Firmen passen und dort gut aussehen.
Kusios Vortrag untermauerte eine Einsicht, die auch in den anderen Vorträgen angeklungen war: Es gibt nicht den einen Weg, mit Immobilien positive Beiträge zu leisten. Kusio wies darauf hin: Gerade für ihn als «Impact»-Investor führt mitunter kein Weg daran vorbei, auch einmal ein schwer sanierbares Haus mit Ölheizung zu erwerben. Der hohe Stellenwert der Dekarbonisierung ist damit nicht geschmälert. Aber klar ist auch: Der «Impact» für das Grosse Ganze kann viele Formen annehmen.
Weitere Impressionen Finden Sie unter Rückblick 92. Schweizer Immobiliengespräch von IMMOBILIEN Business.